MännerBILDung keimt seit einigen Jahren an einer halbschattigen und wenig bearbeiteten Gegend der bunten Bildungslandschaft der BRD. Häufig kurz vor dem Austrocknen zählt dieses empfindliche Pflänzlein z. Zt. eher zu den exotischen und randständigen Exemplaren im "Garten der Erwachsenenbildung". Quantitativ ist das um so erstaunlicher, da ja bekannterweise das männliche Geschlecht nach wie vor einen ca. 50%igen Anteil der Gesamtbevölkerung stellt. An der Masse kann es also nicht liegen, dass das Pflänzlein MännerBILDung so kümmerlich und vorsichtig wächst. FrauenBILDung hingegen gehört Dank der Kraft und Energie der Emanzipationbewegung schon seit Jahren zum Standartangebot im Garten jeder Erwachsenenbildungsstätte und trägt aufgrund intensiver Kultivierung auch reichhaltig Früchte.
MännerBILDung - Was ist das ? Eine geschlechtsspezifische Bildungsarbeit von Männern* für Männer* und ein Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter. Keine Therapie, sondern eine Mischform aus Bildung und Selbsterfahrung bzw. -reflexion in einer geschlechtshomogenen Gruppe. Inhaltlich steht das gesellschaftliche und persönliche BILD des Mannes bzw. der Männer im Mittelpunkt des Prozesses. Die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten der Teilnehmer sollten möglichst bedeutend sein (Teilnehmerorientierung statt pädagogischem Zeigefinger). Die klassischen Bildungsbegriffe Wahrnehmung, Erkennung und Gestaltung finden sich auch hier wieder, d.h. das Recht zur Selbstbestimmung mit Hilfe von Bildung soll gefördert werden (Emanzipation und soziale Kompetenz). Ausgehend von der Hypothese, dass geschlechtsbezogenes Rollenverhalten und Identitätsbewußtsein fast vollständig auf kulturellem und sozialem Lernen basiert und somit auch beweglich ist. Oder anders formuliert: Identität ist eine Reise, kein Ort. Je häufiger sich Männer* mit der eigenen Person beschäftigen und dabei Zugang zu ihren Gefühlen und Wünschen finden, desto mehr wächst in ihnen das Bedürfnis, sich mit anderen Männern* darüber auszutauschen und kontinuierliche Beziehungen aufzubauen. Dabei spielt die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine entscheidene Rolle. Diese drei Lebensabschnitte stehen in direkter Abhängigkeit zueinander und müssen als Ganzes betrachtet werden, um persönliche Veränderungen zu ermöglichen. MännerBILDung bezieht sich grundlegend auf folgende 4 Ziele : A) Wahrnehmung der eigenen Identität B) Begegnung mit anderen Männer* C) gegenüber Frauenbeziehungen D) den gesamtgesellschaftlichen Kontext betreffend
MännerBILD - Versuch einer Bestandsbeschreibung Unser heutiges Männerbild befindet sich im Umbruch. Bestimmte rollentypische Eigenschaften wie z.B. immer Sieger sein zu müssen, sich keine Hilfe holen zu können, sich nicht zu hinterfragen, keine Nähe zu anderen Männern*, etc., helfen nur noch selten bei der Suche nach adäquate Antworten (z.B. zum Thema Gewalt) und notwendigen Veränderungen. Das tradierte männliche Selbstwertgefühl ist u.a. durch das in Auflösung geratene patriachialische Rollenbild, die ansteigende Zahl von Trennungen durch die Frau* und die vermehrte Bedrohung von Arbeitslosigkeit in Frage gestellt. Dadurch wird der Mann* mehr und mehr auf die eigene Identität zurückgeworfen, muß sich mehr mit seiner veränderten Situation auseinandersetzen und auf die Suche nach einem neuen, männlichen Selbstverständnis machen. Der Druck in Richtung Veränderung erzeugt auch Ängste, Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle. Eine Möglichkeit ist das noch strengere Verhaften an tradierten Verhaltensweisen (= Fundamentalismus: Männer* stellen sich nicht in Frage, sie sind die Norm!), eine andere ist der Schritt des Dialoges mit sich selbst und anderen Männern*, um gemeinsam voneinander zu erfahren, Isolation überwinden und Verantwortung für sich selbst und sein Wachstum zu übernehmen. Männer* begegnen sich selten vertraulich. Ihre Erlebnisse mit ihrem ersten Mann*, meistens dem Vater, förderten nicht gerade ihre kommunikativen Möglichkeiten. Häufig haben die männlichen Vorbilder, auch wenn sie präsent waren, persönlich geschwiegen und sich körperlich entzogen. "Männer* haben sich nichts mitzuteilen, sie machen das mit sich alleine aus!" lautet die ererbte Botschaft. Der Einzelkämpfer per se BILDet sich heran.
Was macht es der MännerBILDung so schwer zu wurzeln ? MännerBILDung versteht sich nicht im Erreichen von funktionaler Qualifikation im Sinne von beruflich verwertbaren Produkten und Abschlüssen. Hier tauchen die Männer *bekanntlich zahlreich in den Kursen auf. Geschlechtsspezifische Bildungsarbeit bietet kein Abschlußzertifikat am Ende des Seminars an, nichts was Mann* als Leistungsnachweis im Konkurrenzwettbewerb später vorzeigen und benutzen kann. MännerBILDung heißt bewußte Beziehungsarbeit, Begegnung und Kommunikation unter Männer*. Es geht hier nicht um klassische Wissensvermittlung mit Hilfe von Prozentzahlen und Fakten, vielmehr soll das Verstehen im Vordergrund sein. Ein persönlicher Austausch unter Männer* ist in unserer gesellschaftlicher Realität selten, Nähe zu anderen Männer wird schnell mit dem der Floskel abgewiesen: "Ich bin doch nicht schwul!" Die Fähigkeit und Bereitschaft sich ohne rollenstereotypische Krücken zu zeigen, besteht recht selten. Die Angst, sogenannte Schwäche oder Unvollkommenheit öffentlich darzubieten, schränkt den ehrlichen Kontakt zu anderen Männern* bedeutend ein. Zur männliche Rolle zählen eben Unantastbarkeit, Selbstbewußtsein ("Ich bin der Beste!") und Unnahbarkeit. Für die Beziehungsarbeit sind die Frauen* zuständig, Männer* verlassen sich eher selten auf ihre Ressourcen und Fähigkeiten in ihren Begegnungen. Sich Hilfe in persönlichen Umbruchzeiten zu holen - insbesondere im Beisein von anderen Männern* - ist unmännlich und fällt in der Regel äußerst schwer. Die Nähe von Geschlechtsgenossen erhöht das Risiko wieder in das tradierte Rollenverhalten (in Konkurrenz) zurück zu verfallen. "Das kann gar nicht nützlich sein!" Außerdem ist "Männlichkeit ein Naturgesetz" und da kann Bildung gar nichts bewirken. Ein Mythos hinter dem sich viele Männer* schützend verstecken und die MännerBILDung erschreckt.
Welche Themen ? Im Laufe der Jahre hat es sich gezeigt, dass die Seminare den stabilsten Zulauf besaßen, die ohne thematische Focussierung im Ankündigungstext ("Männergruppe") erschienen. Dass, was die Männer mitbringen, soll im Prozeß miteinander angesehen werden (Teilnehmerorientierung). Durch diesen Zugang spiegelten die Themen häufig biographische Momentaufnahmen wieder. Als Beispiele dienen hierfür: Sexualität, Einsamkeit, Trennung, Vaterbeziehung, Vatersein, Frauenbeziehungen, Männerbeziehungen, Kontakt zu sich selber. Weniger erfolgreich verliefen die Angebote, die von vornherein einen thematischen Schwerpunkt formulierten (Sterilisation, Sexualität, Vater-Sohn-Beziehung). Wahrscheinlich interpretieren die potentiellen Teilnehmer, dass es hier um defizitäre Bereiche ihrer Identität gehen könnte und bleiben aus "Sicherheitsgründen" dem Angebot fern.
Wer sind die Männer*? Sie sind zwischen(ca.) 25 und 63 Jahren alt (Schwerpunkt 30-45 jährige), gehören mit Ausnahmen der breiten Mittelschicht an und sind zu 99 % Deutsche. Die Begegnung mit Männern* in einem bewußten geschlechtshomogen Rahmen als Quelle neuer Ideen und Perspektiven ist für die überwiegende Mehrheit neu und fremd. Eine Vielzahl der Männer* befindet sich entweder aktuell in einer persönlichen Umbruchphase wie Krankheit, Trennung, Arbeitslosigkeit oder weiß aus der eigenen Biographie heraus von schmerzvollen Veränderungen. Vielen ist klar, daß sie mit ihren bisher gelernten männlichen Rollenrepertoire diese erlebten Brüche nur teilweise oder überhaupt nicht bewältigen können und lassen sich (mutig) an diesem Punkt ihres Leben auch auf andere Männer* ein. Und hier zeigt sich auch die Nahtstelle der teilnehmenden Männer* untereinander: Das Wissen um die eigene Verletzlichkeit und die gemeinsame Suche nach neuen männlichen Lebensorientierungen entlastet von einem großen Druck.
Die Chancen der MännerBILDung liegen in der Kraft und Energie, die sich Männer* untereinander geben können. Sich "Anders - Probieren - Können" und ungeahnte oder verschüttete Ressourcen entdecken können, beinhaltet eine Forschungsreise mit sich selbst (Lust zur Auseinandersetzung). Um nun zum Schluß wieder in den Garten der Erwachsenenbildung zurückzukehren und das Geschriebene umzusetzen, heißt , in den Bereich, wo das Pflänzlein MännerBILDung wächst, mehr Sonne und Licht zuzulassen. Den Mut entwickeln, öffentlich kundzutun: "Wir haben hier eine Pflanze, die in unserem gärtnerischen Rahmen und mit unseren Möglichkeiten kultiviert werden muß". Versuche starten, geeignete Gärtner finden und fachliche Unterstützung suchen. Geduld und Ausdauer sind unbedingt notwendig, da zu Beginn viele Saatkörner nicht aufgehen. Auch der Erfahrungsaustausch oder der Verbund mit anderen Fachgärtner kann helfen, z.B. mit Hilfe von Sonderregelungen, daß die Mindestteilnehmerzahl in den ersten Jahren geringer sein darf (muß). Oder das die ersten öffentlichen Seminarangebote kostengünstiger sein sollten. Eine Verknüpfung mit anderen Bereichen des Gartens ist ebenfalls denkbar, um das Thema MännerBILDung einzuführen (familienbezogene Bildungsarbeit "Vater-Kind-Wochenenden").